Ave,
nachdem ich mich ohnehin gerne mit philosophischen und religiösen Fragen auseinandersetze und auch immer wieder bemüht bin, einzelne Religionen und Strömungen (Judentum, Islam, Christentum, Daoismus, Aristotelismus, Buddhismus, Gnostizismus, Mithraismus, Platonismus etc.) zu analysieren, zu verstehen und zu vergleichen, ist mir in letzter Zeit eines in Hinblick auf alle (!) monotheistischen Religionen aufgefallen : Die durchweg aggressive Haltung gegenüber anderen Ansichten.
Diese polemische Ablehnung hat im Laufe der Geschichte dazu geführt, dass zwar der Islam, das Christentum, das Judentum und der Zoroastrismus mehr oder weniger den Sprung in die Moderne geschafft haben, jedoch nie dazu kamen, eben jene Polemik abzulegen. Man merkt beim Studium der Bibel, der Thora oder des Koran über mehrere Stellen hinweg, dass andere Religionen und Verhaltensweisen nicht nur bloße Ablehnung erfahren, sondern regelrechter Gewalt und Verfolgung ausgesetzt werden sollen. Daneben werden Weltbilder, die nicht der eigenen Religion entsprechen denunziert als Sekten, Teufelsanbeter, Hexen usw. - dies gilt bei weitem nicht nur für das Christentum. Dabei stellt sich natürlich die Frage, wie diese Ideologie mit der Vorstellung der in allen genannten Religionen zentralen Nächstenliebe und ethischen Reinheit zu vereinbaren sind.
Die Frage bleibt also, woher diese Neigung zur Ab- und Ausgrenzung rührt - das Ergebnis meiner Überlegungen ist für mich selbst zunächst erstaunlich gewesen. Waren doch Christen, wie Juden und Moslems in der Geschichte durchweg den Mächten des Rassismus und der Vorurteile ausgesetzt, scheint eine mit dem NS -welche als Höhepunkt der Verfolgung und Ausgrenzung gilt- vergleichbare Ideologie in allen genannten montheistischen Weltbildern manifestiert zu sein. Woher rührt dieser Gedanke? Ganz zentral tritt in allen Vorstellungen der Aspekt auf, DAS einzige und auserwählte Volk zu sein. Aus dieser Vorstellung rührt das vermeintliche Recht, den eigenen Glauben mit allen Mitteln durchzusetzen, da es dem Willen Gottes zukommen würde. Viel entscheidener ist aber noch, dass eben jene Ansicht, auserwählt zu sein, erst einen viel größeren Anlass des Rassismus liefert.
Ein "prominentes" Beispiel für die Vertretung dieser Ideologie ist Martin Luther : Nachdem seine Missionierungsversuche bei einigen Juden gescheitert waren, rief er öffentlich zu deren Enteignung, Verfolgung und sonstigen Denunzierung auf - und das keineswegs aus politischen, sondern durchweg religiös bedingten Umständen. Wir finden derartige Beispiele auch in der Verfolgung von Juden, Christen und Hellenen im Sassanidenreich oder der Zwangsbekehrung durch den jüdischen Staat nach dem Makkabäeraufstand oder gar der Ermordung von tausenden Italikern und Hellenen in Kyrene durch jüdische Fanatisten zur Kaiserzeit. Von den Verfolgungen durch die katholische oder evangelische Kirche soll hier gar nicht erst die Rede sein.
Selbstverständlich mag angemerkt sein, dass es in der Geschichte immer wieder zu politischem Missbrauch jeder der Religionen gekommen sein mag und auch manches nur als religiös motiviert getarnt wurde. Allerdings können diese nicht darüber hinwegtäuschen dass eine direkte Rassenlehre und eine eindeutige denunzierende Haltung gegenüber anderen Glaubens im Islam, der Thora, der Bibel und der Avesta nicht nur stellenweise, sondern auf geradezug ideologisierende Weise überall vertreten sind.
Es sei ebenfalls angemerkt, dass eine solche Haltung keineswegs in direkter Kontinuität zum Ein-Gott-Glauben (als Vertreter dieser Ansicht sei hier Celsus genannt) stehen kann. Vielmehr muss sie ideologisch begründet sein. Denn betrachtet man die Geschichte jener monotheistischen Glaubensrichtungen, so waren sie alle zur Zeit ihrer Gründung in einer extrem prekären Lage, die sie dazu veranlasste, ihren Zusammenhalt zu festigen und immer wieder gegen andere Gruppen vorzuegehen. Diese defensive und damals noch begründete ablehnende Haltung gegenüber anderen Völkern scheint sich mit der Zeit auf die Ablehnung alles anderen ausgeweitet und in den "heiligen" Schriften niedergeschlagen zu haben.
Man sollte nicht vergessen, dass die Grundgesinnung der Nächstenliebe prinzipiell sehr wichtig und meiner Meinung nach auch gerechtfertigt ist - es sollte jedoch äußert fraglich sein, ob ein Verhalten, das die Zuneigung und Hilfe lediglich auf Glaubensbrüder beschränkt und gegen Andersdenkende vorgeht (und das nicht erst seit der Al-Kaida), sich selbst aber als kosmopolitisch und aufopfernd für ALLE geben möchte, wirklich als Nächstenliebe bezeichnet werden kann.
Bedenkt : Diese Einstellung findet durch den biblisch orientierten Religionsunterricht auch Einzug an Schulen. Und das in einem freien Staat...
Ich würde gerne hören, was es hierzu für Meinungen gibt, wie die eigenen (eventuell auch religiösen) Ansichten, vor allem aber die persönlichen, dazu stehen. Danke und
MfG